Gemeinderat in der Landeshauptstadt hat laut Statistik nahezu einen zweiten Vollzeitjob

Von | 27. Januar 2015

Wer in einer Großstadt eine Gemeinderatstätigkeit ausübt, übt nahezu einen Vollzeitjob aus. Das zumindest ergeben Berechnungen der Stadt Stuttgart, die im Jahr 2014 eine Statistik über Anzahl und Dauer der Gemeinderatssitzungen, der Ausschüsse und Aufsichtsratssitzungen im Jahr 2013 herausgegeben hat.

Im Durchschnitt brachte jeder ehrenamtliche Mandatsträger zwischen 30 bis 40 Stunden pro Woche auf. Nicht erfasst ist dabei die Zeit, die vonnöten ist, um alle Sitzungsvorlagen zu lesen. Keine Aussage trifft die Aufstellung auch darüber, was für den Posten „Kontakt mit dem Bürger“ zu veranschlagen ist.

Jedes Mitglied im Stuttgarter Gemeinderat ist Mitglied in mindestens einem der großen beschließenden Ausschüsse, viele sogar in zwei. Jeder dieser Ausschüsse tagt ebenso wie der Gemeinderat zwei Mal im Monat, der besonders wichtige Ausschuss für Umwelt und Technik gar wöchentlich. Eine Sitzungsdauer beläuft sich auf drei bis vier Stunden. Zusätzlich agieren viele Stadträte als Mitglieder in etlichen weniger häufig tagenden Gremien des Gemeinderats. Die Belastung steigt durch die Betreuung mehrerer Bezirksbeiräte, an denen Stadträte einmal in der Woche abends teilnehmen. Insgesamt hat die Landeshauptstadt 23 solcher Beiräte.

„Und selbstverständlich erwarten die Bürger in den Stadtteilen und Stadtbezirken sowie die Mitglieder in den jeweiligen Parteien, Vereinen und Organisationen, dass die Mandatsträger bei wichtigen Veranstaltungen Präsenz zeigen“, heißt es in einer Mitteilung der Stadt Stuttgart. Zu bewältigen ist einiges an Pensum im größten Gemeinderat Baden-Württembergs: Auf das Jahr hochgerechnet verbringt jeder Stadtrat rund 40 Stunden in den Gemeinderatssitzungen, in den Ausschüssen 344 Stunden. Wer Mitglied in einem beratenden Ausschuss oder in einem Beirat ist, muss zusätzlich noch einmal knapp 200 Stunden aufwenden.

Zu behandeln waren im Jahr 2012 – einem Jahr ohne Haushaltsberatungen – 2059 Tagesordnungspunkte in Gemeinderat und den angeschlossenen Ausschüssen. Allein der Ausschuss für Umwelt und Technik umfasste über 600 Tagesordnungspunkte. Die Fraktionen stellten insgesamt 442 Anträge und Anfragen, die Verwaltung stellte etwas mehr als 1000 Vorlagen zur Abstimmung. 94 Stunden Zeitaufwand bedeutet das Wahrnehmen von Aufsichtsratsmandaten, die Stadträte kraft Amtes ebenfalls wahrzunehmen haben. „Es geht ja nicht allein die Zeit in den Sitzungen, es geht auch um die Zeit der Vorbereitung“, so eine Sprecherin des Städtetags Baden-Württemberg. Außerdem würden die Mandatsträger von Bürgern auf den Straßen oder beim Brötchen holen angesprochen.

Wegen des großen Zeitaufwands sei es ein großes Thema, geeignete Menschen für dieses Ehrenamt zu finden. Die Sprecherin verweist zudem auf eine frühere Studie der Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl, die ähnliche Ergebnisse zutage gefördert habe beim Thema Zeitaufwand. Studierende hatten vor der Kommunalwahl 2009 über 3500 Gemeinderätinnen und Gemeinderäte im ganzen Bundesland zu ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit befragt. Das Ergebnis von damals in punkto Zeitaufwand entspricht im Wesentlichen der aktuellen Stuttgarter Statistik. Die Kehler Studierenden waren auf durchschnittlich 35 Wochenstunden gekommen. Die letzte Befragung davor stammte schon aus dem Jahre 1987.

Erstveröffentlichung: Staatsanzeiger Baden-Württemberg