Rhetorik: Das 15-Sekunden-Statement ist eher weniger gefragt

Von | 14. Januar 2015

Wer mit den Leuten kann, wird auch gewählt, heißt es nicht selten in der Kommunalpolitik. Die Fähigkeit, vor Menschen zu sprechen und durch Argumente zu überzeugen, ist grundlegend für den Erfolg. Notwendig sind dabei Persönlichkeit und Glaubwürdigkeit. Anregungen für eine gute politische Rede.

Vom Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika zwischen 1933 und 1945, Franklin D. Roosevelt, ist verbrieft, er habe seine Reden bis zu zehn Mal zwischen sich selbst und seinen Beratern, dem Kabinett und den Ministerien oder auswärtigen Spezialisten zirkulieren lassen, bis er ihnen die letzte Form gab. Zugegeben, in heutigen Verhältnissen, in denen Stellungnahmen zu allen möglichen Themen innerhalb von wenigen Minuten veröffentlicht werden, hätte eine solche Arbeitsweise keinen Platz mehr. Die Rede von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) zur Agenda 2010 soll innerhalb von drei Tagen entstanden sein, Kanzler Helmut Kohls (CDU) Zehn-Punkte-Programm auf dem Weg zur Deutschen Einheit vom November 1989 gar am heimischen Küchentisch – ganz ohne Abstimmung mit seinem Beraterstab. Beide gehören zu den bedeutenden Reden der jüngeren Zeitgeschichte und beides sind politische Reden, deren Aufbau, vor allem aber deren Wirkung Eingang in die Lehrbücher gefunden hat.

In der Kommunalpolitik ist die hohe Kunst der politischen Rede ebenfalls gefragt – im Gemeinderat oder bei Veranstaltungen. Auch dort wollen die Mandatsträger andere von ihrer Sache überzeugen. Das betrifft den politischen Gegner, in höherem Maße aber die Bürgerinnen und Bürger vor Ort. Besonders ausgeprägt ist die Fähigkeit zur guten politischen Rede aber eher selten. Das liegt nicht zuletzt daran, dass der zeitliche Aufwand für das Ehrenamt enorm ist und die Herausbildung rhetorischer Fähigkeiten oft ganz unten auf der Liste steht. Hinzu kommt, dass die Notwendigkeit, exzellente Redner zu haben, weniger ausgeprägt ist, weil die Kommunalpolitik in der Regel keiner medialen Dauerbeobachtung unterliegt, die Sachaussagen auf 15-sekündige Statements reduziert.

„Es bedarf eines gewissen Talents, um ein guter Rhetoriker zu sein“, sagt Anne Ulrich vom Institut für Allgemeine Rhetorik an der Universität Tübingen. Es müsse aber keiner glauben, dass man dazu geboren sein muss. Gute Reden zu halten, sei auch ein Stück weit erlernbar. Sie empfiehlt vor allem Neulingen auf der politischen Bühne – und die gibt es gerade auf der kommunalpolitischen Eben immer wieder, bei den ersten Redeauftritten „einiges auszuformulieren“. Eine klare Struktur und die Beantwortung der Frage, was man alles ansprechen will, ist dabei unerlässlich. Während der Rede sei es auch hilfreich immer wieder klar zu machen, an welchem Punkt man gerade sei.

Am Schluss steht dann eine Zusammenfassung oder auch Appell. Grundsätzlich rät die Rhetorik-Expertin zu Kürze. „Alle sind genervt, wenn jemand zu längeren Exkursen ausholt“, betont sie. Grundlegend ist auch, dass man einer ausformulierten Rede immer die mündliche Situation, in der man gerade steckt mitbedenken müsse“, fügt Anne Ulrich hinzu. Das bedeutet: Wer seine Rede in einem rein schriftlichen Stil verfasst, wird weniger gut ankommen. Viel besser ist es, der Rede einen mündlichen Charakter zu verleihen. Das schafft man mit einem angepassten Satzbau, der das Zuhören angenehmer macht.

In der verschriftlichten Form würde ein beliebiger Satz so lauten: „Die Gesellschaft hat sich auf den Weg der Energiewende gemacht, die eine echte Herausforderung darstellt“. In der mündlichen Rede aber gibt es Möglichkeiten, den Zuhörer einprägsamer anzusprechen – mittels einer Wiederholung. Dann könnte der Satz so lauten: „Eine Gesellschaft hat sich auf den Weg gemacht. Auf den Weg hin zu einer Energiewende, die eine echte Herausforderung darstellt“. Im richtigen Ton vorgetragen, erzielt die zweite Variante viel größere Wirkung als der ursprüngliche Satz.

Bedeutend ist bei der politischen Rede natürlich auch die Persönlichkeit, die jemand mitbringt. „Man sollte diese nicht versuchen, beiseite zu schieben, weil die Persönlichkeit mitunter das stärkste Mittel ist“, urteilt Anne Ulrich. Vor allem im kommunalen Bereich könne das große Bedeutung haben, weil hier Persönlichkeiten gefragt seien. Es gehe nicht darum, irgendein Idealbild darzustellen, sondern als Individuum sichtbar zu werden. Wer dann noch Glaubwürdigkeit transportiert durch sein Erscheinungsbild, hat gute Karten, erfolgreich zu sein bei seinen Zuhörern.

Ein guter politischer Redner richtet sich auch heute noch nach den Grundsätzen, die der Philosoph Aristoteles zur politischen Rede aufgestellt hat. Sie soll vom Grundsatz zu bestimmten Handlungen in der Zukunft raten oder auch abraten. Sie soll sich mit den Argumenten der Gegner auseinander setzen und keinesfalls nur auf inszenatorische Wirkung aus sein. Grundlegend sind für Aristoteles drei Elemente, mit der eine Überzeugung des Zuhörers zustanden kommen kann: über die Glaubwürdigkeit des Redners, die Emotionen des Publikums und das Argument. Bedeutend ist für ihn auch die Wahl der mittleren Stilebene, um für alle Zuhörer verständlich zu bleiben. Poetische und vulgäre Sprache scheiden klar aus.

Erstveröffentlichung im Staatsanzeiger Baden-Württemberg

2 Gedanken zu „Rhetorik: Das 15-Sekunden-Statement ist eher weniger gefragt

  1. Friedhelm Werner

    Klasse Blog. Kompliment. Hatte erst jetzt Zeit zum Lesen …
    Die Veröffentlichungen von Ihnen im Staatsanzeiger lese ich immer – und aktuell!

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