Studie: Baden-Württemberg ist Schlusslicht beim Anteil von Frauen in der Kommunalpolitik

Von | 9. Januar 2015

Zum ersten Mal liegt für Baden-Württemberg eine Auswertung über die geringe Präsenz von Frauen in der Kommunalpolitik vor (Stand: Frühjahr 2014). Der Studie zufolge gibt es einen starken Zusammenhang zwischen dem Anteil von Frauen, die als „typische Kommunalpolitikerin“ gelten und dem Anteil von Frauen in den kommunalen Vertretungen. Die „typische Kommunalpolitikerin“ befindet sich nach einer Definition des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend im Schnitt in der zweiten Lebenshälfte, müssen sich in der Mehrzahl nicht mehr intensiv um ihre Kinder kümmern, besitzt einen akademischen Abschluss und sind zu zwei Dritteln erwerbstätig. In Landkreisen, in denen viele solcher Frauen leben, haben auch die Gemeinderäte und Kreistage einen höheren Frauenanteil. Erstellt wurde die Studie von der Abteilung Demokratie und Demokratisierung des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) im Auftrag der Baden-Württembergischen SPD-Landtagsfraktion.

Baden-Württemberg bildet das Schlusslicht in der Bundesrepublik was den Frauenanteil in Kommunalparlamenten angeht. In einigen Kreistagen sinkt die Quote auf einen Anteil von deutlich unter drei Prozent, besser sieht die Lage in den kreisfreien Städten aus – dort beträgt der Frauenanteil teilweise über zwei Fünftel. Frauen schaffen den Sprung in ein Kommunalparlament eher in einer größeren Stadt oder in einer städtischen Region. Auf das ganze Bundesland hochgerechnet, kommt Baden-Württemberg auf einen Anteil von 18 Prozent, Hessen liegt schon bei 25 Prozent und belegt den vorletzten Platz.

Spitzenreiter Rheinland-Pfalz weist eine Quote von 42 Prozent auf. Bei einer Gegenüberstellung für die vergangene Kommunalwahl im Jahr 2009 kam heraus, dass zwischen dem Anteil an Kandidatinnen und dem Anteil der letztlich gewählten Mandatsträgerinnen ein Gefälle von bis zu elf Prozentpunkten zu beobachten ist. Bei SPD und Grünen ist das Gefälle etwas niedriger als bei CDU und FDP. In Städten und Kreisen, in denen SPD und Grüne besonders stark sind, gibt es der Untersuchung zufolge mehr Frauen in den Parlamenten, der gegenteilige Zusammenhang zeigt sich in Hochburgen von CDU und FDP. Bei den Sozialdemokraten gibt es seit 1988 eine verbindliche Quote von 40 Prozent für alle Funktionen und Mandate. „In den Parteien, in denen es quotierte Parteilisten gibt, ist auch der Frauenanteil an den tatsächlich Gewählten höher“, heißt es in dem Papier.

Die Fördermaßnahmen, die bisher ergriffen worden sind, um den Anteil von Frauen beispielsweise in Kreistagen zu erhöhen, sind nach Meinung der Wissenschaftlerin Sara Schlote, die die Studie verfasst hat, bisher fehlgeschlagen. Landkreise mit guter Grundlage für einen hohen Frauenanteil, könnten diesen auch jetzt schon aufweisen. Landkreise mit vielen Frauen außerhalb des Musters „typische“ Kommunalpolitikerin konnten den Anteil bisher wiederum nicht steigern. Schlote plädiert dafür, Maßnahmen zu ergreifen, die die Chancengleichheit von Mann und Frau in einer Region erhöht. So geht es um die Förderung von Frauen in Bildung und Beruf oder um den Ausbau bedarfsgerechter Infrastruktur für die Kinderbetreuung. Dies führe auch zu einer Erhöhung des Anteils von Frauen in Kommunalparlamenten.

Doch es gibt auch Vorschläge abseits dieser „Standortfaktoren“, die vor allem in die kommunalpolitischen Strukturen und Abläufe eingreifen. So fordert die Autorin Aktionspläne der kommunalpolitisch relevanten Akteure, um mehr individuelle Vielfalt in die Gremien zu bringen. Besonderes Ziel sollte dabei die Motivation und Gewinnung von künftigen Kommunalpolitikerinnen haben. Die Parteien sollten außerdem ein niedrigschwelliges Angebot zur Mitarbeit machen und die männlich geprägten Sitzungsstrukturen verändern. So sollen Sitzungen zu Zeiten stattfinden, in denen auch Frauen mit Kindern teilnehmen könnten. Auch der Nominierungsprozess bei der Erstellung von Listen im Vorfeld von Kommunalwahlen müsse deutlich transparenter werden. Denkbar seien eine Kinderbetreuung während kommunalpolitischer Termine und die Einführung einer Elternzeit für Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern.

Erstveröffentlichung Staatsanzeiger Baden-Württemberg